Bis zur Ostsee hat die Buche nach der letzten Eiszeit mehrere Jahrtausende benötigt. Am Kreidekliff von Jasmund ist sie an ihre Grenze gekommen. Die Buchenwälder scheinen dort ins Meer zu stürzen, denn es tobt eine ungeheure Dynamik. Immer wieder kommt es zu Gesteinsabbrüchen. Immer wieder versucht die Pflanzenwelt Fuß zu fassen. An den Steilhängen der Küste brütet der Wanderfalke. Die Mehlschwalbe siedelt in großen Kolonien. Der Seeadler ist regelmäßiger Brutvogel im Wald.
Jasmund repräsentiert die Buchenwälder des Tieflandes über Kreide und Geschiebelehm und die bedeutendsten des Baltikums. Die Buchenwälder der Steilhänge gehören zu den wenigen echten, niemals genutzten Urwaldrelikten Deutschlands.
Vom Parkplatz Hagen taucht die Weltnaturerbe-Route rasch in den Wald ein. Durch Buchenwald und vorbei an sumpfigen Senken wird der Falsinger Berg umgangen. Nach der Straßenquerung ist man schnell im Weltnaturerbe. Der Kollicker Weg hält sich immer parallel zum Kollicker Bach, der gerade erst entsprungen ist und schon seine Marker setzt. Er macht was er will, windet sich mal hierhin und mal dorthin. Hier und da zwingen ihn umgefallene Bäume zu Verlaufsänderungen. Zwischen den Kollicker und Lehmschöter Bergen hat er sich eingekerbt. An den Hängen stehen weite Buchen-Hallenwälder, denen man die längst eingestellte forstwirtschaftliche Nutzung noch ansieht. Jetzt waltet die Natur. Schneelasten und Stürme haben schwächelnde Buchenstangen umgerissen, sorgen schnell für neues Leben. Spektakulär wird der kurze Bachlauf im Mündungsbereich. Am abrupten Ende seiner Reise hat er sich tief eingegraben, schon fast eine Klamm geschaffen, um dann die Steilwand zur Ostsee hinabzuspringen.
Vom Kollicker Ort geht es Richtung Stubbenkammer, die faszinierende Küste entlang, mit Blicken auf das Meer und stellenweise auf bizarre Kreidekliffs. Quer durch Buchenwälder schlängelt sich der Uferpfad, in dem gefallene Riesen auf die werdende Wildnis weisen, bis die berühmten Aussichtspunkte Victoria-Sicht und Königsstuhl erreicht sind und grandiose Eindrücke von der Kampfzone des Buchenwaldes am Meer bieten. Direkt am Königsstuhl befindet sich das Nationalpark-Zentrum mit einer informativen und erlebnisreichen Ausstellung. Wer den Abstieg zum Strand geschafft hat, wird mit einem ungewöhnlichen Perspektivenwechsel am Fuß der Klippen belohnt. Hier kann jeder erahnen, mit welchen Gewalten die Wassermassen an der Küste zehren und den Buchenwald ins Meer stürzen lassen.
Ein Abstecher zu den Hangwäldern an der Steilküste sollte mit eingeplant werden. Nur im echten Urwald enthüllt sich die Eigendynamik des Buchenwaldes mit dem einzigartigen Werden und Vergehen, das seine biologische Vielfalt prägt.
Der Weg zurück führt an Spuren der Kulturgeschichte, wie der slawischen Herthaburg, vorbei. An Gletscherzeiten erinnern Senken, in denen sich Wasser zu Seen gesammelt hat. In flacheren Gewässern entstanden Moore mit Erlenbruchwäldern.
Hinweise
Nationalpark Jasmund
Der 3.070 Hektar große Nationalpark Jasmund zählt zum „Tafelsilber der Deutschen Einheit“. Mit der Kreide-Steilküste und den vom Menschen unberührten Hangwäldern im Kontakt zum Meer ist eine der grandiosesten Naturlandschaften Mitteleuropas entstanden. Hier wurde von den Gletschern der letzten Eiszeit ein massiver Kreideblock aus dem Meer gehoben und überformt. In der Jungmoränen-Landschaft wächst unter rauem Küstenklima eine Vielzahl mitteleuropäischer Buchenwaldtypen. Orchideen-Buchenwald, Zahnwurz-Buchenwald, Waldgersten-Buchenwald und karger Blaubeer-Buchenwald wechseln kleinräumig. Die einzigartigen Buchenwälder sind eng verzahnt mit Mooren, Bächen, Kalk-Tuffquellen und natürlichen nährstoffreichen Seen.